15. November 2007
Kraftwerk Moorburg: Kompromisse ändern nichts an Umweltwirkungen des Kraftwerks / Erster Bürgermeister lässt Vattenfall Fakten schaffen
»Die gestrige Entscheidung des Ersten Bürgermeisters, den vorzeitigen Baubeginn für das Kohlekraftwerk Moorburg zu genehmigen, ist eine klimapolitische Bankrotterklärung ersten Ranges und macht Ole von Beust vom vermeintlichen Klimaschützer zum Handlanger des Vattenfall-Konzerns«, so die Bewertung von Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg.
Daran ändern laut BUND auch die zwischen Vattenfall und dem Ersten Bürgermeister ausgehandelten Kompromisse nichts. Gerade die CCS-Nachrüstung (Verfahren zur CO2-Abscheidung) gilt unter Wissenschaftlern als klimapolitische Nebelkerze. Sie wirft das Wirkungsgradniveau des Kraftwerkes auf den Stand von 1960 zurück und wird deshalb von Insidern als unwirtschaftlich eingestuft. Das von Vattenfall favorisierte Oxyfuel-Verfahren zur CO2-Abscheidung gilt als komplizierte Nachrüstung. Gerade deshalb hat Vattenfall einen technischen und ökonomischen Vorbehalt für die Nachrüstung der CO2-Abscheidung ausgehandelt. Kommt es nicht zu einer Nachrüstung, ist dies mit einer ›Strafe‹ von insgesamt 10,5 Mio. Euro sanktioniert, »eine im Vergleich zur Gesamtinvestition von fast 2 Mrd. Euro geradezu lächerliche Summe«, so der BUND.
Die als Erfolg dargestellte Berechnung, dass das Kohlekraftwerk Moorburg aufgrund der Verdrängung älterer Anlagen bundesweit jährlich 2,3 Millionen Tonnen CO2 einsparen wird, operiert nach Einschätzung des BUND Hamburg mit falschen Rahmenbedingungen. Hier werden lediglich alte und neue konventionelle Kraftwerke miteinander verglichen. Würde als Alternative zum bestehenden Kraftwerkspark ein konsequenter Ausbau der regenerativen Energien herangezogen, wäre der CO2-Einspareffekt um ein Vielfaches höher. Dass eine Versorgung ganz Norddeutschlands mit regenerativen Energien möglich wäre, hat unlängst eine Studie des Hamburger Zukunftsrates gezeigt.
Die Absicht, mit einer so genannten Laufwasserkühlung die schädliche Wärmeeinleitung in die Süderelbe zu verringern, ist zunächst ein interessanter Ansatz. Allerdings werden die zentralen Probleme der Kühlwassereinleitung für die Gewässerökologie damit nicht entschärft. Wesentlich bleibt die enorm hohe Einleitung von toter Biomasse, da nach wie vor täglich mehr als 100 Tonnen Fische und Kleinstlebewesen von der Kühlwasseranlage angesaugt und abgetötet werden sollen. Diese tote Biomasse wird nach Einleitung in die Elbe unter Sauerstoffzehrung abgebaut und verschärft die in den Sommermonaten ohnehin kritische Situation für die Elbfische.
Nach Prüfung der Rechtslage geht der BUND weiterhin davon aus, dass die nach dem BImSchG erforderlichen Voraussetzungen für einen vorzeitigen Baubeginn nicht gegeben sind. Ein solcher ist nur zu genehmigen, wenn mit einer Entscheidung zugunsten des Antragstellers gerechnet werden kann.
Die ›Entscheidung‹ würde auch die wasserrechtliche Genehmigung für die Kühlwassereinleitung beinhalten. Diese ist jedoch nachweislich nicht mit den Bestimmungen des Europäischen Habitatschutzrechts vereinbar und es käme zu einer erheblichen Beeinträchtigung von FFH-Schutzzielen. Dazu kommt, dass die geplante Kühlwasserentnahme nicht dem Stand der Technik entspricht und auch die europarechtlich gebotene Alternativen-Betrachtung zur Kühlung des Kraftwerks gänzlich fehlt. Ein weiteres K.o.-Kriterium für die wasserrechtliche Genehmigung ist die als Eingriffsminderungsmaßnahme vorgeschlagene Fischtreppe am Sperrwerk Geesthacht. Diese ist rechtswidrig nicht Bestandteil des eigentlichen Genehmigungsverfahrens zum Kraftwerk Moorburg und deren Bau aufgrund konkurrierender Planungen am Standort ohnehin völlig offen!
»Der Erste Bürgermeister und der zuständige Fachsenator hatten viele Argumente an der Hand, um einem vorzeitigen Baubeginn eine klare Absage zu erteilen sowie eine umfassende Prüfung der Genehmigungsunterlagen vornehmen zu lassen. Die jetzige Entscheidung hat mit verantwortlicher Klimapolitik nichts mehr zu tun und kann nur als Kniefall vor dem Energiekonzern Vattenfall gewertet werden. Gleichzeitig ist diese Taktik aufgrund der derzeit laufenden Volkspetition ein klarer Affront gegen die Hamburger BürgerInnen und gegen das Parlament der Hansestadt. Einmal mehr werden demokratische, von der Hamburger Verfassung vorgesehene Instrumente missachtet«, sagt Manfred Braasch.
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